Wie viel Transparenz bringt die «Lex Markwalder»?

Die «Kasachstan-Affäre» rund um Nationalrätin Christa Markwalder hat einen Schwall neuer Vorstösse ausgelöst. Was sich in Sachen Lobbyismus und Transparenz bald ändern könnte.

Bundeshaus Dunkel? (Foto: Flickr)

Nicht nur die Lichtshow soll Licht ins Dunkel bringen. (Foto: Flickr)

Am schnellsten war Lukas Reimann (SVP/SG). Nur wenige Stunden nach der Publikation des «NZZ»-Artikels «Der lange Arm der Lobbyisten ins Bundeshaus», der die folgenden Wochen hohe Wellen schlagen sollte, reichte er seine Motion ein. Über ein Dutzend weitere Vorstösse werden es bis zum Ende der kürzlich geschlossenen Sommersession sein, die den Lobbyisten – aber auch den Parlamentariern selbst – mehr Transparenz verordnen wollen.

Lobbyismus: Transparenz über Mandate oder ein neues Akkreditierungssystem?

Vier neue Vorstösse zielen direkt auf die umstrittenen und vieldebattierten Strippenzieher. Doch wirklich neu sind die vorgebrachten Ideen nicht – die Urheber haben vormals gescheiterte oder versandete, eigene Initiativen rezykliert. So greift Reimanns Motion «Transparentes Lobbyregister» seine Eingabe wieder auf, die 2009 ein solches Register einführen wollte. Das Lobbyregister wurde unterdessen (2011) zwar installiert, doch einige von Reimanns damaligen Fragen blieben in der Tat unbeantwortet: «In wessen Auftrag sind die Lobbyisten tätig? Wer bezahlt sie?» Denn wenn etwa Lobbyistin Marie-Louise Baumann, die im Zentrum der «Kasachstan-Affäre» gestanden ist, als Interessenbindung schlicht «MLB Communications» angibt – ihre eigene Agentur als Einzelunternehmung –, so verkommt das Register zur reinen Farce.

In die gleiche Kerbe schlägt eine Initiative von Andrea Caroni (FDP/AR). Während er in den letzten Jahren als Promotor eines Akkreditierungssystems hervorgetreten ist, begenügt er sich vorerst einmal mit mehr «Transparenz über die Mandate von Lobbyisten im Bundeshaus». Lobbyisten gäben nach heutiger Praxis einzig eine Public-Affairs-Unternehmung an, für die sie arbeiteten. «Im Dunkeln bleibt aber das, was wirklich interessiert, nämlich die Organisationen, die sie mandatieren.» Wie Reimann fordert denn auch auch Caroni: «Lobbyisten sollen auch die einzelnen Mandate angeben, für die sie jeweils aktuell im Bundeshaus tätig sind.»

Auf einem grundlegenden Systemwechsel beharrt derweil Ständerat Didier Berberat (NE/SP). Er will das geltende «Götti-System» (jeder Parlamentarier kann bis zu zwei Zutrittskarten frei vergeben) begraben und in ein Akkreditierungssystem umkrempeln, wie es etwa für die Bundeshausjournalisten angewandt wird. Wer zu bestimmende Voraussetzungen erfüllt (für Journalisten etwa: zu mindestens 60 Prozent über das Geschehen im Bundeshaus berichten für ein Medium, das einem breiten Publikum zugänglich ist), der gelangt in den Genuss eines «Bundeshaus-GA». Hüterin über die begehrten Lobby-Badges wäre fortan also etwa die Bundeskanzlei. – Gegenüber seiner fast gleichlautenden Initiative 2011 hat Berberat aber einen wichtigen Nebensatz hinzugefügt, eine Frage, an welcher sich die Geister noch scheiden werden: «[…] ihre Anzahl [der Lobbyisten] ist allenfalls zu begrenzen.»

Einen neuen Aspekt bringt immerhin die Grüne Fraktion ein: Abgesehen von den erwähnten Lobby-Dauerausweisen, die so lange gültig sind, bis sie der ausstellende Parlamentarier widerruft, existiert noch eine wenig bekannte, zweite Kategorie: sozusagen das «Tages-GA». Diese Türöffner müssen zwar für jeden Tag neu beantragt werden. Ihr «Vorteil» besteht jedoch darin, dass weder Gast noch «Götti» in irgendeinem Register auftauchen. Die grüne Initiative «Transparenz über das Lobbying via Tages-Zugangsbewilligungen» will daher auch die Bundesberner Kurzaufenthalter mit Name und Funktion in ein öffentlich einsehbares Register aufnehmen.

Parlamentarier: Offenlegung der Entschädigungen im Stufenmodell?

Fünf weitere parlamentarische Initiativen adressieren die finanziellen Verbandelungen der National- und Ständeräte selbst. Peter Keller (SVP/NW) wartet dabei gleich mit einem Trio an Vorstössen auf. Seine erste Initiative «Unterscheidung von ehrenamtlichen und bezahlten Tätigkeiten» will die Interessenbindungen der Parlamentarier differenzierter darstellen. Heute werden alle Mandate wild durcheinander aufgelistet, egal, ob es sich dabei um einen lukrativen Verwaltungsratssitz einer börsenkotierten Aktiengesellschaft handelt oder aber um das Präsidium des Eidgenössischen Schwing- und Älplerfests. Ehrenamtliche Tätigkeiten (höchstens 1200 Franken Spesenentschädigung jährlich) sollen daher gesondert publiziert werden.

Kellers Zweitling «Freiwillige Deklaration ehrenamtlicher und bezahlter Tätigkeiten» würde den Parlamentsbetrieb ebenfalls kaum aus den Angeln heben: Die Liste der Mandate soll durch die Parlamentarier um die Angabe über die jeweilge Höhe der Entschädigung ergänzt werden können – fakultativ. Die monetären Selbstdeklarationen, wie sie einige wenige Nationalräte wie Christian Wasserfallen (FDP/BE) oder Cédric Wermuth (SP/AG) seit einigen Jahren auf ihren eigenen Internetauftritten betreiben, erschienen so in ein wenig «offiziellerem» Licht.

Mehr Fleisch am Knochen bietet der Keller’schen Trilogie letzter Teil, die «Offenlegungspflicht für Einkünfte aus Tätigkeiten». In Anlehnung an die Stufenregelung zur Publikation der Nebentätigkeiten der Abgeordneten des Deutschen Bundestags sollen auch hierzulande alle einzelnen Mandatsentschädigungen in eine von zehn Vergütungs-Stufen kategorisiert werden. Die Stufe 1 würde dabei kleinere Einkünfte zwischen 1200 und 3500 Franken umfassen, die höchste Stufe 10 Vergütungen jenseits von 250’000 Franken.

Ähnlich zur Provenienz der eingangs erwähnten Vorstösse zur Lobbyismus-Regulierung stammen auch jene in Sachen Transparenz der Vergütungen der Parlamentarier entweder vonseiten SVP oder aber von Links-Grün. Eine weitere Initiative der Grünen Fraktion will «Parlamentarische Interessenbindungen mit Angabe der finanziellen Entschädigung ergänzen», wobei denkbar sei, «statt der exakten Entschädigung verschiedene Kategorien zu schaffen und die Ratsmitglieder deklarieren müssen, in welche Kategorie die jeweilige Entschädigung fällt». Also dasselbe in grün.

Die SP-Fraktion schliesslich geht aufs Ganze und will mit der Initiative «Transparenz der Einkünfte und Interessenbindungen der Parlamentsmitglieder» auf den Rappen genau wissen, wer wo wie viel verdient. Immerhin: Der öffentliche Lohnausweis soll erst ab einer bestimmten Höhe je Entschädigung greifen. Und vor allem soll die berufliche Haupttätigkeit ausgeklammert werden, es sei denn, diese sei «geeignet, den Anschein der Abhängigkeit des Parlamentsmitglieds von Interessengruppen zu erwecken, unabhängig davon, ob diese in selbständiger oder unselbständiger Tätigkeit ausgeführt werden».

Regelung im Umgang mit Spenden und Reisen

Nationalrätin Nadine Masshardt (SP/BE) sieht weiteren Handlungsbedarf. Mit ihrer Initiative «Mehr Transparenz. Regelung bei Spenden» verlangt sie, über Einzelspenden ab 5000 Franken gesondert Rechnung zu führen, die Parlamentarier für ihre politische Tätigkeit erhalten. Solche seien «unter Angabe des Namens in einem von den Parlamentsdiensten erstellten öffentlichen Register aufzuführen». Aus Spenden könnten Abhängigkeiten entstehen, weshalb diese offengelegt gehörten.

Eine zweite Initiative Masshardt «Mehr Transparenz. Regelung für Informationsreisen» nimmt sich den parlamentarischen Reisetätigkeiten an, die in der «Affäre Kasachstan» ebenfalls eine Rolle gespielt haben. Die Parlamentsmitglieder sollen Einladungen schweizerischer oder internationaler Interessenorganisation zu einer Informationsreise nur noch annehmen dürfen, sofern sie die Reisekosten selber bezahlen. Masshardt bezieht sich dabei auf ein Empfehlungsschreiben der parlamentarischen Büros an die Ratsmitglieder («Information über das Korruptionsstrafrecht»), in welchem letzteren ebendiese Regelung nahe gelegt wurde.

Auch Nationalrat Alfred Heer (SVP/ZH) sind die Parlamentarier-Reisen ein Dorn im Auge. Seine Initiative «Auskunftspflicht über die Reisetätigkeiten von Mitgliedern der Bundesversammlung» zielt indes nicht auf ein Verbot zur Annahme solcher Einladungen. Heer, als Mitglied des Europarats zuweilen selber in politischer Mission unterwegs, will die Reisetätigkeiten dem Öffentlichkeitsprinzip unterstellen. Auf Anfrage hin sollen Reisefreudige Auskunft geben müssen über ihre Engagements für den Europarat, OSZE, UNO, die Aussenpolitischen Kommissionen usw.

Infrastruktur: Persönliche Mitarbeiter und öffentliche Unterlagen der Kommissionen

Nationalrat Matthias Aebischer (SP/BE) wiederum beobachtet, dass «sich die Parlamentsarbeit in den letzten Jahren stark verändert hat und umfangreicher und komplexer geworden ist». Viele Parlamentsmitglieder seien stark überlastet und überfordert, nicht nur mit der eigentlichen Parlaments-, sondern auch mit der Recherchearbeit. Aebischer mahnt gar: «Nicht selten bleiben die inhaltliche Arbeit und vor allem auch visionäre Ideen auf der Strecke. Hauptmanko sind derzeit die fehlenden personellen und zeitlichen Ressourcen, weshalb hier anzusetzen ist.» Seine Initiative «Persönliche Mitarbeitende für Parlamentsmitglieder» will daher die derzeit nur allzu rudimentäre administrative und politisch-wissenschaftliche Assistenz für die Bundesparlamentarier institutionalisieren und ausbauen.

Ginge es schliesslich nach Ständerat Thomas Minder (SH/unabhängig), so hätte es den «Fall Markwalder» gar nicht erst gegeben. Seine Initiative «Parlamentarische Kommissionen. Öffentlichkeit der sekundären Unterlagen» will derzeit vertrauliche Papiere wie Schreiben, Aktennotizen, Gutachten, Gesetzesentwürfe, Stellungnahmen, Statistiken und Synopsen der Verwaltung und der Kommissionssekretariate dem Öffentlichkeitsprinzip unterstellen (nicht aber die Wortprotokolle). Sogenannte schriftliche Antworten des Bundesrats auf Themenanträge – der Stein des Anstosses – könnten so fortan an interessierte Kreise und die Öffentlichkeit getragen werden, wie es auch alt Staatsschreiber Kurt Nuspliger vorschlägt.

Fazit: Lobby-Transparenz, aber Lobbyistenflut

Die Prognose erscheint nicht allzu kühn, dass in der kommenden Legislatur der Schleier, der derzeit die Lobbyistentätigkeiten und die Mandatsentschädigungen der Parlamentarier noch umgibt, sukzessive gelüftet werden wird.

Die Zeiten, in denen sich Interessenvertreter hinter der Fassade ihrer PR-Agentur verstecken konnten, neigen sich dem Ende zu. Offen bleibt nur noch, ob gleichzeitig durch die Einführung eines Akkreditierungssystems die heutige Badge-Vergabe über Bord geworfen werden soll. Tendenziell wird eine erhöhte Transparenz der Lobbyisten-Mandanten diesem Ansinnen Vorschub leisten, da sich die «Badge-Göttis» vermehrt für ihr «Schleppertum» rechtfertigen müssen – auch dank Plattformen wie Lobbywatch.ch.

Umgekehrt konnte noch niemand schlüssig darlegen, inwiefern in einem Akkreditierungssystem quantitative Hürden vor einer Lobbyistenflut schützen könnten. Alleine Burson-Marsteller beschäftigt 40 Mitarbeiter, Farner etwa 60, der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse knapp 80, und der WWF Schweiz gar über 200. Die meisten dieser Interessenverterter würden den qualitiativen Anforderung wohl genügen und kämen noch so gerne in den Genuss der begehrten Zutrittskarte. Die Wandelhalle würde im Nu unpassierbar.

Praktikabel und mehrheitsfähig dürfte aber immerhin eine gewisse Kategorisierung der Interessenbindungen der Parlamentarier sein. Lukas Reimann wird dereinst auch hier der Erste gewesen sein. Seine Volksinitiative «Für die Offenlegung der Politiker-Einkünfte (Transparenz-Initiative)» ist zwar 2012 mangels genügend Unterschriften vorübergehend gestrandet. In ein, zwei Legislaturen wird sein Volksbegehren dennoch umgesetzt sein.

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